Werners Welt: Zu Besuch beim Comiczeichner Brösel
Manchmal muss man bei einem Thema gleich mit den ersten Sätzen auf den Punkt kommen. Also: Rötger Feldmann, den halb Deutschland vor allem unter dem Namen Brösel kennt, unterstützt künftig HEMPELS in sehr besonderer Form. Denn ab sofort können bei unseren landesweit rund 250 Verkäuferinnen und Verkäufern zusätzlich zum Magazin Dreier-Postkartensets mit von Brösel gezeichneten Weihnachtscomics rund um Freak Werner gekauft werden. Der gesamte Erlös des Endverkaufspreises von schlanken 2,20 Euro bleibt zur einen Hälfte bei den Verkäufern und fließt zur anderen Hälfte in unsere weitere Arbeit. Punkt.

Ein kleines Dorf irgendwo bei Kiel. Ein alter Gutshof ist dort seit 1993 das Zuhause von Rötger und Petra Feldmann, seiner Ehefrau und Managerin: Und als man beide besucht, sitzt dem Hausherrn für einen ordinären Montagmorgen bereits um zehn Uhr in der Früh der hintergründige Schalk bemerkenswert locker im Nacken.

Auf dem Küchentisch liegen Flyer für ein "Volksbegehren zum Schutz des Wassers". Worum es da geht, will man also wissen. "Worum es da geht?", fragt Rötger Feldmann überrascht zurück. Fast scheint ihm jetzt die Brille von der Nase zu rutschen, im Gesicht ein großes Staunen, genauso gut hätte man wohl auch fragen können, was denn, bitteschön!, so toll daran sein soll, in der Freizeit mit ölverschmierten Händen an stinkenden Motorrädern rumzuschrauben. "Weißt' das denn nich'?", antwortet Feldmann schließlich wieder einigermaßen gefasst, die zwischenzeitliche Gesichtsblässe ist auch verschwunden. "Dass unsä Bier nich' kaputt geht!"

Siebzig wird Feldmann nächstes Frühjahr, man sieht und merkt ihm das nicht an. Ein großer Kindskopf scheint er geblieben zu sein, längst erwachsen zwar, aber ein ewiger Teenager und jemand, der im besten Sinne nichts auf der Welt ernst nehmen kann und den man gerade deshalb immer ernst nehmen sollte mit seinen höchst eigenen Kommentaren zum Alltagsgeschehen.

Auch gutes Bier will ja schließlich aus sauberem Wasser gebraut sein, und wenn jemand wie er, Brösel, Schöpfer seines Bölkstoff trinkenden Alter Egos Werner, das als Argument benutzt, um auf die durch Fracking entstehen könnenden Gefahren für sauberes Trinkwasser hinzuweisen, dem Anliegen des Volksbegehrens, dann versteht nicht nur seine Fangemeinde sogleich, worum es ihm im Kern geht.

Brösel und Werner sind über die Jahre etwas politischer geworden, auch in dem im vergangenen Jahr nach 14-jähriger Pause ersten neu erschienenen Band "Werner – Wat nu!?" taucht als Eingangsgeschichte zu Werners Abenteuern der "Fracking Horror!" auf. "Je älter man wird, umso mehr muss man zum Meckerer werden", meckert Feldmann mit dem Flyer in der Hand.

Der Motorrad fahrende und dem Bölkstoff nicht abgeneigte langnasige Freak Werner, der sich jedem bürgerlichen Verhalten widersetzt und kompromisslos seine Freiheiten lebt und dem über den Tag hinaus gehende Verpflichtungen nur spießiges Getue sind, ist seit Anfang der 1980er Jahre Feldmanns riesiger Erfolg. Werner, und mit ihm Brösel, sind in den folgenden Jahren durch die Decke geschossen – zwölf Bücher, fünf Filme, alles mit insgesamt Millionenpublikum. 1988 schließlich auf dem Flugplatz Hartenholm das verlorene Rennen auf dem von Freund Ölfuß (Wolfgang Ußleber) gebauten Red-Porsche-Killer, ein Motorrad mit vier Horex-Motoren aus dem Baujahr 1955, zu dem 250.000 Enthusiasten pilgerten und dabei, nebenbei bemerkt, in den benachbarten Orten auch die eine oder andere Vorgartenrabatte vorübergehend in Unordnung brachten.

Später wollten einige um Brösel herum mit Werner wohl zu hoch hinaus, es folgten – kurz gefasst – zwei Verlagspleiten, ab Mitte der Nullerjahre wurde es vorübergehend ruhiger um Brösel und Werner. "Uns fehlen 15 Jahre, die wir nicht hätten erleben müssen", sagt Rötger Feldmann heute dazu, "alle wollten sie damals mein Brot fressen und mein Bier trinken." Und Ehefrau Petra sagt: "Wir könnten Krimis schreiben über diese Zeit, aber zum Glück sind die Geier inzwischen alle weg."

Spätestens seit den beiden Neuauflagen des Werner-Rennens der vergangenen zwei Sommer bespielt Brösel wieder die große Orgel mit den vielen Tasten und sendet auf allen Kanälen. Bis Ende dieses Jahres sollen auch die zwölf alten und zwischenzeitlich vergriffenen Werner-Bände, im eigenen neuen Bröseline Verlag frisch überarbeitet, wieder zu kaufen sein. "Und", sagt Brösel, "wir arbeiten an einem Projekt mit neuen bewegten Bildern." Mehr will er dazu noch nicht sagen.

Gemanagt wird der Werner-Cosmos seit ein paar Jahren von Ehefrau Petra, "Rötger kommt ja nicht so gut mit der Bürokratie klar". – "Kannst' wohl sagen", sagt der und erzählt von einer öffentlich bisher weitgehend unbekannten Episode, die ihn Mitte der 1970er Jahre sogar mal für eine Woche in den Knast gebracht hat wegen seines schlampigen Umgangs mit Behördendingen.

Diverse unbezahlte Strafzettel – "Werner gaabs noch nich'" – über insgesamt 279 D-Mark hatten sich da angehäuft wegen eines, nennen wir es mal nicht so ganz regelkonformen Umgangs mit seinem Motorrad. "Und dann kamen die eines Tages mit einem roten Zettel – Ersatzfreiheitsstrafe", sagt Brösel, "bin aber gerne mit in' Knast nach Neumünster; vom eingesparten Geld konnst' dir ja schon'n paa Bier leisten damals und neue Reifen."

Zurück in die Gegenwart, zurück ins Schleswig-Holsteinische Outback auf den Gutshof mit der denkmalgeschützten Außenfassade. Drinnen haben sich die Feldmanns mit viel Holz, Eisen und Stein einen ineinander übergehenden Wohn- und Arbeitsbereich eingerichtet. "Anfangs war das hier eher ein Rattenloch", sagt Rötger Feldmann, "wir haben über die Jahre viel selbst gemacht; eine schöne Umgebung ist wichtig, um gut zeichnen zu können". Und wenn man mit ihm dann durch die Räume wandert, durch ehemalige Ställe und benachbarte Schuppen, dann begegnet man noch ein paar weiteren Schönheiten.

Überall stehen alte Autos und Motorräder, bereits aufgemotzte und solche, die noch auf eine Restaurierung warten. In seinen Comics ist das Ausschlachten von Alltagsdetails Brösels eigentliche Meisterschaft, hier in den Schuppen voller zwei- oder vierrädriger Untersätze kommt auch Ahnung auf von seiner Kunst des schrauberhandwerklichen Zusammensetzens.

Als nicht ganz so motorenaffiner Mensch sollte man dann besser still schweigen, wenn der Meister beim Erzählen vor lauter Begeisterung mal wieder von einem aufgepimpten Fahrzeug zum nächsten springt und jauchzend ruft: "Da fällt einem doch glatt der Kitt aus der Brille!" Ob nun mit funktionstüchtiger Sehhilfe oder ohne, es könnte sein, dass für Brösel, für Rötger Feldmann nicht wirklich von der wahren, guten Welt ist, wer die besondere Magie aufgemotzter Motoren nicht sofort erkennt,

Man sollte dann vielleicht schnell fragen, welchen Zielen denn der gerade stattfindende Umbau des hinteren Gebäudeteils dient, in dem früher mal Schweineseelen ihr Dasein fristeten.

"Das wird unser Kulturschuppen", antwortet Brösel. Im kommenden Jahr sollen die Umbauarbeiten abgeschlossen sein, dann wollen die Feldmanns dort Sach- und Lachgeschichten aus der Werner-Welt präsentieren, anfangs vielleicht nur an Wochenenden für das geneigte Publikum geöffnet, "mal schauen, wie das so funktioniert", sagt Brösel.

Ehefrau und Managerin Petra ist schon einen gedanklichen Schritt weiter. "Werner und seine Welt sind Kulturgut von Schleswig-Holstein und sollten hier in seinem und unserem Zuhause in Zukunft beschützt und für die Nachwelt erhalten bleiben“, sagt sie, "noch wohnen wir ja hier, aber vielleicht könnte das Haus irgendwann mal zu den Schleswig-Holsteinischen Landesmuseen gehören."

Ach ja, das Wichtigste hätten wir jetzt fast glatt vergessen, zum Ende des Besuchs im Reich von Brösel und Werner also schnell noch die Frage nach der Motivation, uns mit aus früheren Jahreskalendern stammenden Weihnachtscomics zu unterstützen. "Ist doch klar", antwortet Petra Feldmann, "HEMPELS ist wichtig, und Menschen in Not sind meistens netter als die Reichen."

Und Brösel sagt: "Das' ganz klaa der Punkt."


Erschienen im Straßenmagazin HEMPELS; Oktober 2019